Erziehungsstellenkind spricht fremde Menschen an

Erziehungsstellenkind Maria spricht fremde Menschen an und möchte mit ihnen mitgehen

Warum zeigt unser Erziehungsstellenkind ein spezielles Verhalten? Im Alltag als Context e.V.-Fachberatung treffen wir immer wieder auf dieses Thema, welches zu Konflikten, zu Unverständnis, zu Nachfragen und zu Zweifeln in unseren Erziehungsstellenfamilien führt. Und das sind die „guten Gründe“ unserer Kinder. Gute Gründe in einer Situation so zu handeln, wie sie es tun.

Wir alle haben „gute Gründe“ für unser Verhalten

Gute Gründe kennt jeder von uns. Es ist zum Beispiel ein guter Grund, sich beim Einsteigen in ein Auto anzuschnallen. Dies mindert das Gefahrenrisiko, das lernt jeder. Es ist auch ein guter Grund, morgens zu frühstücken oder eben nicht zu frühstücken. Es gibt einen guten Grund sich abends in seine Kuscheldecke auf dem Sofa einzumümmeln oder es gibt einen guten Grund dafür, warum abends noch kurz die beste Freundin oder der Kumpel angerufen wird. Oder man sich zum Joggen quält, mit dieser Kopflampe auf dem Kopf, gerade bei der Jahreszeit, wo es früh dunkel wird. Jeder kennt einen guten Grund, warum die ganze Tafel Schokolade gegessen werden muss und nicht die Hälfte zurückgelegt werden sollte. Für alles haben wir gute Gründe. Manchmal sind diese für uns total klar. Und für die Menschen, die uns wichtig sind, ist das nachvollziehbar, bekannt, gewertschätzt. Die Gesellschaft lebt von guten Gründen und wir mögen es, für Handlungen gute Gründe festzulegen. Jeder hat einen guten Grund etwas zu tun.

„Gute Gründe“ von Erziehungsstellenkindern

In dieser kleinen Beitragsreihe werden wir die guten Gründe unserer Erziehungsstellenkinder vorstellen. Gute Gründe, die vielleicht für den Beobachtenden nicht „gut“ sind. Gute Gründe, die weh tun. Die die Erwachsenen und das Erziehungsstellenkind wütend machen, die Verzweiflung hinterlassen, weil es schon zigmal besprochen wurde und doch immer wieder passiert. Gute Gründe, die nicht nachvollziehbar sind und ein Unverständnis hinterlassen. Oder gute Gründe, die die Erwachsenen an sich selbst zweifeln lassen.

Sie fragen sich jetzt sicherlich, was daran gut sein soll. Wir würden Ihnen daher gerne unser Erziehungsstellenkind Maria vorstellen.

Herausforderndes Verhalten von Erziehungsstellenkind Maria – Ansprache fremder Menschen

Unser Erziehungsstellenkind Maria ist vier Jahre alt und liebt es, draußen zu spielen. Sie lebt seit einem Jahr bei Anna und Toni, einer liebevollen Erziehungsstellenfamilie von Context e.V. Maria hat sich gut in die Familie eingelebt. Jedoch berichten Anna und Toni immer häufiger in den wöchentlichen Terminen mit der für sie zuständigen Context e.V.-Fachberatung von einem Verhalten von Maria, das beide sehr verunsichert. Maria spricht fremde Menschen an. Ob den Postboten, Frauen auf dem Spielplatz, wenn Anna etwas weiter weg steht oder fremde Personen, die am Gartenzaun der Familie vorbeilaufen. Sie läuft fröhlich auf fremde Menschen zu und stellt sich vor. „Hallo, ich bin Maria, wer bist du?“ Dabei strahlt sie. „Magst du Kinder? Kann ich mit dir mitkommen? Hast du etwas zu essen?“ Sowohl für Anna und Toni als auch die fremde Person ist die Situation unangenehm. Keine Frage. Besonders, weil Maria lacht, strahlt, aufgeregt herumhüpft und fragt, ob sie bei dem Fremden oder der Fremden schlafen kann.

Pädagogische Familienberatung

Im Gespräch mit der Context e.V.-Fachberatung berichten Anna und Toni schon oft mit Maria darüber gesprochen zu haben. Sie rufen ihr Erziehungsstellenkind Maria zu sich oder ins Haus. Sie sind genervt. „Wie oft haben wir dir gesagt, du sollst keine fremden Menschen ansprechen? Du sollst auch nicht fragen, ob du mit ihnen gehen kannst! Nicht jeder Mensch ist dein Freund!“ Maria reagiert jedes Mal gleich: verständnislos und traurig. Traurig darüber, dass Anna und Toni sauer auf sie sein könnten. Sie wird dann etwas stiller im Alltag und Anna und Toni merken, dass etwas nicht stimmt. Auch versteht Maria nicht, dass sie etwas falsch gemacht hat.

Aus unserer täglichen Arbeit kennen wir verschiedene familiären Vorerfahrungen, die unsere Erziehungsstellenkinder in sich tragen. Es gibt „typische “ traumatische Erfahrungen, die die Kinder in ihren Herkunftsfamilien machen mussten und deshalb in einer Erziehungsstellenfamilie aufwachsen. Und jedes dieser Kinder hat „gute Gründe“ so zu handeln, wie es gerade in diesem Moment handelt. Manchmal erkennen wir nicht sofort den guten Grund in einer Situation und müssen suchen, vielleicht auch einfach akzeptieren. Manchmal bleibt der Grund verborgen.

Gute Gründe von Erziehungsstellenkind Maria

Unser Erziehungsstellenkind Maria hat einen guten Grund, fremde Menschen anzusprechen – warum gerade sie so zutraulich zu fremden Menschen ist.
Bei Maria ist es so, dass sie sich früher nie richtig sicher und geborgen gefühlt hat. Sie hat erfahren, wie es sich anfühlt, nicht wahrgenommen zu werden. Sie hat Eltern erfahren, die überfordert waren und sich nicht um Maria kümmern konnten. Sie fühlte sich allein und einsam. Und wenn Maria das Gefühl hat alleine zu sein und ihre Erziehungsstelleneltern Anna und Toni gerade nicht greifbar sind, dann versucht Maria, nicht mehr alleine zu sein. Maria hat einen „guten“ Grund fremde Menschen anzusprechen.

Anna und Toni sprechen mit Maria darüber. Sie entschuldigen sich dafür, dass sie sauer auf Maria waren und geschimpft haben. Und sie zeigen Maria, dass es ok ist, Angst zu haben, dass sie, Stück für Stück, Vertrauen in Anna und Toni fassen kann und darf, weil beide da sind und bleiben. Und vielleicht fühlt sich Maria irgendwann so wahrgenommen, dass sie sich sicher fühlt. Bei Anna und Toni.

 

Im nächsten Teil möchten wir Ihnen unser Erziehungsstellenkind Lina vorstellen. Auch Lina hat einen guten Grund, etwas zu tun, was vielleicht im ersten Moment nicht so gut erscheint. Seien Sie gespannt!

Gute Gründe -Lina

 

Sie möchten mehr aus dem Leben unserer Erziehungsstellenfamilien erfahren? Hier finden Sie einen ganz persönlichen Erfahrungsbericht.

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