Das Reisen mit einem Erziehungsstellen- oder Pflegekind birgt nochmals besondere Herausforderungen. Wir erklären, worauf man achten sollte und geben praktische Tipps für einen entspannten Urlaub.
Alle Familien, die bereits mit Kindern verreist sind, kennen es – man muss an vieles denken und einiges planen:
Habe ich an das Lieblingskuscheltier gedacht, damit mein Kind gut schlafen kann? Wenn wir mit dem Auto fahren, müssen wir regelmäßige Pausen machen, damit unser Kind die Reise -möglichst ohne zu quengeln – übersteht. Sicher haben alle Familien ihre eigenen Strategien.
Wenn man jedoch mit einem Kind in den Urlaub fährt, das nicht von Geburt an in der Familie lebt, gibt es noch einige Dinge mehr zu beachten. Hierüber möchten wir kurz erzählen und vielleicht auch den ein oder anderen Tipp aus unseren Erziehungsstellenfamilien und unserem pädagogischen Team liefern.
Für die Kinder, die in unseren Erziehungsstellenfamilien leben, haben in der Regel die leiblichen Eltern, ein:e Vormund:in oder Ergänzungspfleger:in das Sorgerecht inne. In jedem Fall hat der- oder diejenige mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht das Recht, jederzeit zu wissen, wo sich das Kind aufhält. Das heißt, dass Familien bei Reisen mit Erziehungsstellen- oder Pflegekind innerhalb von Deutschland darüber informieren sollten, wann man wohin mit dem Kind verreist.
Bei Reisen ins Ausland muss im Vorfeld eine Bewilligung und Vollmacht über die Reise eingeholt werden. Hier orientieren sich Vormund:innen und Ergänzungspfleger:innen in der Regel an den Vorgaben des auswärtigen Amtes (auswaertiges-amt.de). Das bedeutet, dass Reisen in sicheren Gebieten grundsätzlich nichts im Wege steht. Eltern sollten jedoch bedenken, dass es manchmal ein wenig Vorlauf benötigt, diese Reisevollmachten bei den Sorgeberechtigten einzuholen. Als Context e.V. unterstützen wir unsere Erziehungsstellenfamilien dabei und achten darauf, dass die Reisevollmacht zweisprachig (deutsch und englisch) ausgestellt wird. So gibt es auch in nicht deutschsprachigen Ländern keine Probleme mit der Einreise.
Neben der Vollmacht darüber, dass Familien mit ihrem Erziehungsstellenkind verreisen und Grenzen passieren dürfen, benötigt jedes Kind bei einer Reise ins Ausland seit 2012 ein eigenes Reisedokument, in der Regel einen Reisepass.
Vorab sollte auch geprüft werden, welche Medikamente das Erziehungsstellenkind im Urlaub benötigt. Es gibt Länder, in denen eine Bescheinigung für das Mitführen von Medikamenten verpflichtend vorzuhalten ist. Andernfalls kann dies nicht nur zu viel Ärger im Ausland führen und somit den unbesorgten Urlaub gefährden, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Besondere Voraussetzungen für die Einfuhr ins Ausland gelten für alle Medikamente, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Weiterführende Informationen und Muster für Bescheinigungen finden Sie unter dem folgenden Link:
https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Betaeubungsmittel/Reisen/_node.html
Wer unsicher ist, ob ein verschriebenes Medikament unter dieses Gesetz fällt, sollte vorab mit dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin das Gespräch suchen, um Klarheit zu schaffen und ggf. entsprechende Formalitäten, wie z.B. beglaubigte Bescheinigungen, auf den Weg zu bringen.
Die meisten Jugendämter unterstützen Erziehungsstellen- oder Pflegefamilien mit der Zahlung einer sogenannten Urlaubs- oder Ferienbeihilfe. Die Höhe der Beihilfe und der Weg der Auszahlung sind von Jugendamt zu Jugendamt unterschiedlich. Einige Jugendämter zahlen diese automatisch einmal jährlich als Pauschalbetrag aus. Bei anderen Jugendämtern wird die Beihilfe gemäß Antrag bewilligt, der von den Familien eingereicht wird.
Context e.V.-Familien sind herzlich eingeladen, frühzeitig in einem der wöchentlichen Termine mit ihrer Fachberatung über ihre Reisepläne zu sprechen. Das Context e.V.-Team unterstützt seine Familien gern bei der Einholung der nötigen Unterlagen.
Wir Pädagog:innen von Context e.V. raten unseren Erziehungsstellenfamilien dazu, möglichst im ersten Jahr mit dem Kind auf große Reisen zu verzichten. Dies ist die ungefähre Zeit, die ein Erziehungsstellenkind benötigt, um anzukommen und sich im neuen Familiensystem einzuleben. Eine Reise soll für alle Familienmitglieder eine Bereicherung sein und nicht zu Verunsicherung führen. Kinder, die vielleicht noch nie in ihren Leben einen Urlaub erlebt haben, können in der ungewohnten Situation schnell überfordert werden, da Struktur, Rituale und damit Sicherheit fehlen.
Auch haben Erziehungsstellenkinder vielleicht keine positive Verknüpfung im Sinn, wenn sie an Urlaub denken: Manchen Kindern wurde bei der Herausnahme aus der Herkunftsfamilie und Unterbringung in der Bereitschaftspflegefamilie möglicherweise gesagt, dass sie nun „Urlaub“ machen würden. Daher könnte es sein, dass ein Erziehungsstellen- oder Pflegekind auf das Wort Urlaub negativ reagiert. Eltern sollten dem Kind dann ganz genau erklären, wo sie hinfahren, wer dabei ist, was geplant ist und wann sie alle zurückkommen. Sie können sich auch gemeinsam mit dem Kind Fotos vom Hotel, der Ferienwohnung oder anderen Gegebenheiten vor Ort anschauen.
Wie bereits erwähnt, hilft es unseren Kindern, zu wissen, was auf sie zukommt. Wir empfehlen Erziehungsstelleneltern, mit ihrem Kind über Themen zu sprechen, die auf den ersten Blick vielleicht banal erscheinen:
Vielleicht hat das Kind auf dem Weg in die Erziehungsstellenfamilie schon Menschen aus seinem Leben verloren. Auch hier können Ängste durch kindgerechte Erklärungen genommen werden.
Eltern können im Vorfeld mit ihrem Kind eine Zeitschnecke oder ähnliches basteln, in der die Tage bis zum Urlaub ausgemalt werden dürfen, damit das Kind sich langsam an den Gedanken gewöhnt. Das ist natürlich im Urlaub in gleicher Form mit der Zeit bis zur Rückreise gestaltbar.
Bei der ersten Flugreise könnten einige Kinder auch Angst vor dem Flug haben. Hier lohnt sich manchmal vorab ein Besuch beim Flughafen. In der Regel gibt es dort einen Aussichtspunkt, von dem aus man Flugzeuge bei Start und Landung beobachten kann. Ein toller Ausflug für die ganze Familie!
Wenn die Zeitschnecke nur noch wenige Felder zum Ausmalen aufweist, steht meist das Kofferpacken an. Neben den notwendigen Dingen, die Kinder und Eltern im Alltag benötigen, müssen natürlich genügend Kleidungsstücke eingepackt werden. Auch hier macht es je nach Alter des Kindes Sinn, das Erziehungsstellen- oder Pflegekind miteinzubeziehen. Natürlich wird kein Kind einen „sinnvollen“ Koffer packen können. Jedoch könnten Eltern eine Vorauswahl an Outfits parat haben, aus denen das Kind dann gemeinsam mit ihnen die dementsprechende Anzahl auswählen kann.
Genauso können Sie bei der Auswahl des Spielzeugs verfahren. Toll für einen Familienurlaub sind in der Regel Kinderbücher, die man gemeinsam anschauen kann, Malsachen, Spielzeugautos und/oder Puppen, kleine Gesellschaftsspiele (gibt es zum Teil in Reiseformaten), Bälle oder Sandspielzeug und natürlich das Lieblingsspielzeug des Kindes.
Sollte ein Kind ein besonderes Einschlafritual haben, gehört alles hierzu Benötigte ebenfalls in den Koffer. Dies können das Kuscheltier und das Lieblingsbuch oder die Tonibox mit den liebsten Figürchen sein. Dies wird das Kind nach den ereignisreichen Urlaubstagen darin unterstützen, in den Schlaf zu finden.
Des Weiteren sollten Eltern gemeinsam mit ihrem Kind überlegen, wie sich dieses bei der Reise beschäftigen kann. Vielleicht helfen auch hier kleine Spielchen, zum Beispiel „Ich sehe was, was du nicht siehst“, „aus Nummernschildern Wörter bilden“ oder „Geschichten weitererzählen“ oder ein Kindertablet in einem kleinen Reiserucksack. Auch sollte natürlich an Getränke und kleine Snacks für die Reise gedacht werden.
Zum Abschluss hier noch ein paar praktische Tipps aus unserem pädagogischen Team und von unseren Erziehungsstellenfamilien:
Context e.V. wünscht allen Familien einen wunderbaren Familienurlaub!
Kinderbuch-Inspirationen für die Reise gesucht? Das Context e.V.-Team empfiehlt regelmäßig Bücher, die bei uns besonders beliebt sind.
21. August 2024
13. August 2024